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Des eigenen Glückes Schmied*in? Das Konzept der ZEP-Werk-Tagung

Des eigenen Glückes Schmied*in?
Migrierte und geflüchtete Frauen* auf dem Weg zu höherer Bildung


Eine Werk-Tagung
27./28. Mai 2021 – online

Link zur Teilnahme: https://us02web.zoom.us/j/87629722626?pwd=WEUrRGEveUhXS1dQa0lpK2FlR0RrZz09
Anmeldung: ZEP_anmeldung@das-kollektiv.at
Ablauf

Bildung für alle. Gleiche Chancen für alle. Alle Möglichkeiten für alle - wenn eine*r sich nur genug bemüht. Obwohl das laufend suggeriert wird, sehen wir tagein tagaus, dass diese Rechnung nicht aufgeht, und dass wir von einem gleichberechtigten Zugang zu Bildung und insbesondere zu höherer Bildung in Österreich nach wie vor weit entfernt sind.

Geflüchtete und migrierte Frauen* sind in ihren Bildungsprozessen und besonders in der Erlangung bzw. Geltendmachung höherer Qualifizierung stark benachteiligt und von einer Vielzahl von Ungleichheitsverhältnissen betroffen, die sich unter anderem als finanzielle, materielle, sprachliche und formale Hürden, ungleicher Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen, Ausschließungs- und Diskriminierungspraxen und -strukturen, sowie ungerechte Geschlechterverhältnisse übersetzen.

Für diese Frauen* wird das neoliberale Versprechen eines linearen Zusammenhangs zwischen Leistung und Erfolg (im konkreten Fall Bildungserfolg) nicht eingelöst. Wir schließen uns hier Cornelia Dinsleder an:

Die Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheit basiert zu einem wesentlichen Teil auf den sich hartnäckig haltenden Mythos einer gerechten Verteilung von Gütern, Ressourcen und „Erfolg“ aufgrund eines meritokratischen Prinzips (meritum = Verdienst, kratein = herrschen).“ (Dinsleder, S. 23).

Obwohl das Bildungssystem in Österreich gerade im sekundären und tertiären Sektor eine Fülle an Qualifizierungen anbietet, sind geflüchtete und migrierte Frauen* oft von diesen Qualifizierungsmöglichkeiten ausgeschlossen bzw. werden im Fall eines gelungenen Einstieges in eine sekundäre oder tertiäre Bildungseinrichtung nicht selten mit Diskriminierungen konfrontiert. 1

Den Frauen wird hier zum Verhängnis, von der herrschenden Norm abzuweichen, bzw. einen bestimmten Habitus nicht internalisiert zu haben.

Darüber hinaus wird Bildung unter neoliberalen Verhältnissen als Investition und Lernende als Humankapital betrachtet, die wettbewerbsorientiertes Verhalten lernen sollen. Die Einzelnen werden darauf trainiert, eine erfolgreiche Investition zu sein und die Schuld zu verinnerlichen, wenn sie den Wettbewerb nicht bestehen. Wer – und hier sind vor allem Frauen* davon betroffen - nicht mit den erforderlichen sozioökonomischen Voraussetzungen zur Erlangung höherer Bildungsabschlüsse ausgestattet ist, bleibt als nicht verwertbarer „Rest“ auf der Strecke und landet im besten Fall in prekären Arbeitsverhältnissen.

Mit der Realisierung der Werk-Tagung beabsichtigt das kollektiv, eine Organisation von und für Migrant*innen, einen Raum des Austauschs, des Lernens und der kritischen Auseinandersetzung mit dem Status Quo und mit der Zukunft des österreichischen Bildungswesens - vor allem ausgehend von der Frage nach einem egalitären Zugang zu höherer Bildung - aufzumachen.

Die Leitfragen, die uns durch die Werk-Tagung führen, spiegeln unser Bewusstsein um die Dringlichkeit des Handelns angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen hier und in der Welt, unsere Empörung über die (nicht nur im Bildungsbereich) ausgeübte Gewalt, sowie unsere unermüdliche Hoffnung auf eine gerechtere Welt wider, in der Bildungsarbeit nicht im Dienst der Nutzbarkeits- und Verwertungsinteressen des neoliberalen Marktes oder der Reproduktion von gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen steht, sondern sich zu Gesellschaftskritik, Selbstkritik und Reflexivität, Transformation ungerechter Verhältnisse und Emanzipation verpflichtet:

Welche Faktoren erschweren es geflüchteten und migrierten Frauen*, höhere Bildungsabschlüsse zu erzielen, und welche (strukturelle) Veränderungen, konkrete Schritte und Allianzen/ Bündnisse/ Kooperationen sind notwendig, damit der Zugang zu und die Anerkennung von höherer Bildung für Migrant*innen erleichtert wird und neue Perspektiven geschaffen werden?

Welche Rolle spielen Klasse, Gender, „race“, Religion, Sprache in ihren Verschränkungen bei Benachteiligung und Ausschluss, und welche gesellschaftliche Bedeutung nimmt die Verhinderung des Zugangs deprivilegierter Gruppen – insbesondere Frauen* - zu höherer Bildung ein? Und wer profitiert von diesen Verhältnissen?

Welche Rolle nehmen (Aus)Bildungseinrichtungen in der Schaffung gerechterer Zugänge zu Bildungsräumen ein? Welche Veränderungen innerhalb der (Aus)Bildungseinrichtungen wären notwendig?

Welche Rolle sollte Arbeitsmarktpolitik in der Sicherstellung von Inklusion, Teilhabe und egalitärem Zugang zu Bildung spielen?

Welche Strategien im Kampf um eine diskriminierungsfreie Teilhabe am Bildungssystem wurden/werden erprobt und umgesetzt? Was können wir daraus lernen? Wie können wir uns mit anderen, die ähnliche Kämpfe führen, solidarisieren und verbinden? Welche weiteren Strategien könnten wir entwerfen und verfolgen?

Welche kollektiven Prozesse wären notwendig, um die vorherrschenden diskriminierenden neoliberalen Umformungen des Bildungswesens zu unterbrechen und zu überwinden?

Neben einem Podiumsgespräch mit eingeladenen Diskutant*innen finden im Rahmen der Werk-Tagung Workshops statt, zu denen geflüchtete und migrierte Frauen* auf dem Weg zu höherer Bildung, Vertreter*innen des Arbeitsmarkt- und des (Aus)Bildungssektors, sowie Professionelle aus der Praxis eingeladen werden, um die oben erwähnten sowie weitere andere mitgebrachte und vorgeschlagene Fragen zu diskutieren. Wir beabsichtigen, die Thematik aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, einen Dialog zwischen unterschiedlichen Positionen zu fördern, potenzielle Synergien zu schaffen und Ansätze zu benennen, um Benachteiligung und Diskriminierungen im Bildungswesen entgegenzuwirken sowie Strategien und Perspektiven zur Transformation des Status Quo zu entwerfen.

Als Ergebnis der Werk-Tagung sollen aus den in Workshops erarbeiteten Kritiken und Perspektiven (un)mögliche strategische Schritte hin zu gerechteren Bildungsverhältnissen erkannt und entworfen werden. Eine Gruppe von geflüchteten und migrierten Frauen* auf dem Weg zu höherer Bildung entwirft im Vorfeld der Werk-Tagung einen Forderungskatalog, der in der Tagung präsentiert, diskutiert und erweitert werden soll. Der Katalog wird in weiterer Folge an Bildungsverantwortliche vermittelt.

Die Tagung richtet sich an geflüchtete und migrierte Frauen*, Berater*innen, Lehrerende, Vertreter*innen des Arbeitsmarkt- und des (Aus)Bildungssektors und an alle, die sich mit der Frage der Bildungsbenachteiligung und gesellschaftlichen Transformation auseinandersetzen wollen.

 

Das Projekt ZEP - Zugang zu höherer Bildung und Entwicklung von Perspektiven

Die Werk-Tagung wird vom Verein das kollektiv konzipiert und realisiert. Sie findet im Rahmen des Projekts ZEP – Zugang zu höherer Bildung und Entwicklung von Perspektiven statt. ZEP ist eine von ESF - Europäischen Sozialfonds und BMBWF-Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung finanzierte Netzwerkpartnerschaft, an der das kollektiv beteiligt ist. Das Netzwerk ZEP entwickelt und erprobt ein flexibles und modular aufgebautes Bildungsangebot, das insbesondere die Übergänge vom Pflichtschulabschluss zur Sekundarstufe II (Lehre, höhere Schule, Berufsreifeprüfung) und in das tertiäre Bildungssegment ins Zentrum stellt. Ziel des Projektes es ist, Lernende bei der Erlangung höherer Bildungsabschlüsse mit unterschiedlichen Übergangsmodulen sowie Bildungs- und Berufsberatung zu unterstützen und zu begleiten. Die Beratung nimmt in diesem Projekt sowie in der Werk-Tagung eine Schlüsselrolle ein, da hier die wesentlichen Hürden im (Aus)bildungssystem sichtbar werden.

 

das kollektiv. kritische bildungs-, beratungs- und kulturarbeit von & für migrant*innen

das kollektiv ist ein Ort der kritischen Bildungsarbeit. Beratungs- und Kulturarbeit geschehen im Dialog bzw. in Verschränkung damit. In das kollektiv arbeiten Frauen*, die Veränderungen ungleicher Verhältnisse in der Gesellschaft anstreben. Frauen* aus unterschiedlichen geografischen und sozialen Orten. Wir verstehen das kollektiv als einen Ort des Austausches, der Kritik, des Widerstands, der Ermächtigung und der kollektiven Gestaltung. In Verschränkung mit und ergänzend zu den Kursen entstehen an diesem Ort viele Prozesse und Projekte, Diskussionen und Aktionen. Erwachsenenbildungsarbeit mit Migrant*innen bildet den Schwerpunkt der Tätigkeiten vom Verein: wir führen unterschiedliche Bildungsprojekte, die von Beratungsangebote begleitet werden, sowie Entwicklungs- und Forschungsprojekte durch. Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit fungieren als Mittel zur Sichtbarmachung der Anliegen der (teilnehmenden) Migrant*innen.

 

Zitierte Literatur:

Dinsleder, Cornelia: Heterogenität ist nun auch in Schulen „in“!? Inklusion im Widerspruch zu neoliberaler Gouvernementalität. In: Khan‐Svik, Gabriele; Mecheril, Paul; Sprung, Annette; Yildiz, Erol (Hg.): Bildungsforschung (in) der Migrationsgesellschaft. Ausgewählte Beiträge einer Tagung an der Universität Graz, 5. und 6.Mai 2011.

1. Die Inzidenz der Diskriminierungsfälle in den österreichischen sekundären und tertiären Bildungsbereichen wird u.a. vom Verein IDB – Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen in seinem Jahresberichten festgehalten. Online aufrufbar unter: https://diskriminierungsfrei.at/.