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Das muss skandalisiert werden! Bestandsaufnahme von maiz und das kollektiv zum internationalen Frauen*Kampftag

08. März 2020 - Bestandsaufnahme von maiz und das kollektiv zum internationalen Frauen*Kampftag.

Das muss skandalisiert werden!

Sozialhilfe in OÖ, das neue Regierungsprogramm und das Leben von Migrantinnen und geflüchteten Frauen*

Finde bitte eine Arbeit für mich, ich sterbe lieber bei der Arbeit, als in ein Heim zu ziehen“. Frau N. hat jahrelang privat gewohnt, muss jetzt aber in ein Asylheim ziehen, da sie subsidiär schutzberechtigt ist und somit keinen rechtlichen Anspruch auf Sozialhilfe mehr hat und dadurch zurück in die Grundversorgung geführt wird. Sie ist alt, krank, traumatisiert, allein. Trotzdem kämpfte sie, um ihre kleine Wohnung und somit gegen eine Re-Traumatisierung, die mit dem Umzug in ein Heim einhergeht. Alle Versuche, eine Arbeit dauerhaft aufzunehmen, scheitern an dem Leistungsdruck, dem sie aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands nicht standhalten kann und enden mit Kündigung.

Ohne Rechte, aber Pflichten: Ob subsidiär Schutzberechtigte derart ungleich behandelt werden dürfen, wird vor den Gerichten, auch auf europäischer Ebene, geklärt werden. Ethisch und gesellschaftspolitisch ist es nicht vertretbar. Subsidiär Schutzberechtigte haben ein Asylverfahren durchlaufen, sind jedoch nicht asylberechtigt, aber rechtmäßig in Österreich aufhältig.

Es sind viele Menschen, vor allem ältere Frauen*, Alleinerziehende und Frauen* mit mehreren Kindern, die vom neuen Gesetz hart betroffen sind. Unklar bleibt zudem, ab wann eine Person als „dauerhaft aufhältig“ gilt und somit Anspruch auf Sozialhilfe hat. Auch wenn Menschen schon lange in Österreich leben, haben sie trotzdem die Pflicht der Integrationsvereinbarung nachzukommen und Werte- und Orientierungskurse zu besuchen.

Integration durch Druck: Von den 7 Seiten des neuen Regierungsprogramms zur Integration befassen sich 5 Seiten mit spezifischen Integrationsmaßnahmen für Migrant*innen. Sie werden als zentrale Multiplikatorinnen für die gelungene Integration auf dem Arbeitsmarkt und in der Bildung dargestellt. Was für viele Frauen nach guten Chancen klingen könnte, zeigt sich in der Praxis für viele Migrantinnen widersprüchlich. Denn Frauen werden unter Druck gesetzt bzw. gezwungen, Jobs anzunehmen, ohne dass Alter, Gesundheitszustand oder die Tatsache, dass sie gerade eine Bildungsmaßnahme besuchen, berücksichtigt werden. Je mehr Kinder sie haben, desto härter wird ihr Existenzkampf. Können wir dieses Handeln „Integration“ nennen?

Kulturalisierung von Gewalt: Weiters werden verstärkte Maßnahmen zur Integration von Frauen und zum Schutz vor jeglicher Gewalt geplant. Diese beziehen sich auf den Schutz vor familiärer Gewalt, Gewalt im sozialen Nahraum, ideologisch begründete Gewalt und Gewalt in jedem sozialen, kulturellen und religiösen Kontext. Die Formulierung legt nahe, dass Gewalt nur im familiären Umfeld der Migrantin selbst und in ihrer Community stattfindet. Die Frauen* berichten uns jedoch, dass sie hauptsächlich von Diskriminierung, Rassismus und struktureller Gewalt betroffen sind, welche nicht in den Maßnahmen von Regierungsprogramm bearbeitet werden. An wen können sich die Frauen* im Fall von struktureller Gewalt und Diskriminierungen wenden? Wer kümmert sich um die Auswirkungen dieser Gewalt?

Dieser Zustand ist skandalös und darf nicht weiterhin als Normalität gelten, wir sind alle zur widerständigen Handlung aufgerufen!

Wir fordern:

1. Die Rücknahme der diskriminierenden Bestimmungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und in den Sozialhilfe-Ausführungsgesetzen! Subsidiär Schutzberechtigte müssen in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen werden.

2. Die Sicherung stabiler Lebensumstände für die ohnehin sehr vulnerable Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten – das Recht auf Schutz im wortwörtlichen Sinn – muss gewährleistet werden!

3. Frauen* sollen bei laufendem Besuch selbst gewählter Bildungsmaßnahmen nicht zur Erwerbstätigkeit gezwungen werden.

4. Gesundheitliche Umstände und die Zumutbarkeit für Erwerbstätigkeit sollen beachtet werden.

5. Weg mit der Schlechterstellung von Mehrkindfamilien (§ 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz).

- Dies ist weder eine ausführliche juristische Stellungnahme, noch eine ausführliche Darstellung der negativen Auswirklungen der neuen Sozialhilfe auf Frauen*. Wir beschreiben hier lediglich Schwierigkeiten, denen wir in der Beratungspraxis begegnen.

- Mit Frauen* meinen wir alle, die sich als Frauen verstehen.

Verein das kollektiv Linzmaiz