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Embracing challenges, (re-)searching paths. DAS KONZEPT der Sommerbildungswochen

Gewalt erkennen, benennen, bekämpfen: Erwachsenenbildung mit migrierten und geflüchteten Frauen* im Spannungsfeld gegenwärtiger Krisen
 

Kontext

„Es scheint mittlerweile täglich eine neue globale Krise zum Vorschein zu kommen: stagnierende Gehälter und unsichere Arbeitsverhältnisse, Abnahme der öffentlichen Leistungen, Instabilität der Märkte, wachsende Anzahl an fliehende Menschen, Hungersnot, rassistische und sexistische Gewalt, steigende Angst und Depressionen, Klima-Katastrophen, immer wieder auftauchende Aussicht auf Atomkrieg.“ (Andreotti et al, 2018, S. 10, Übersetzung GM) Die Autor*innen hielten schon damals fest, dass sie nicht der Auffassung sind, dass nicht zu erwarten sei, dass die Arten des Wissens und des Seins, die das aktuelle System ermöglicht haben, diejenige seien, die Impulse zu ihrer Beseitigung geben können. Allerdings sind wir so tief in das aktuelle System verwurzelt, dass wir fehlgeleitet wären, wenn wir einfach etwas Neues schaffen wollen würden, ohne die Lehren des Alten zu verdauen und den Müll zu kompostieren. Im Gegenteil, um neue Wege der Bildung zu erkunden, müssen wir unser Involviert-Sein in Gewaltverhältnisse einsehen und verstehen, und uns mit der Desillusionierung, die damit einhergeht, konfrontieren, aber auch ein Durchhaltevermögen erarbeiten, in Hinblick auf die Unsicherheiten, Diskontinuitäten und Paradoxien, die wir annehmen müssen, um etwas Neues, im Bereich von Bildung und darüber hinaus, zu schaffen (vgl. ebd., S. 11).

Auch wenn die COVID-19 Krise unsere Gegenwart bestimmt, oder gerade deshalb, richten wir mit dieser Veranstaltung unseren Blick auf die Krisen, in denen sie eingebettet ist und auf den Zusammenhang zwischen diesen Krisen und der Erwachsenenbildung mit migrierten und geflüchteten Frauen* in Österreich. Dabei wollen wir auch untersuchen, in welchen gewaltvollen Verhältnissen dieses Feld eingelassen ist und welche Wege zur Bekämpfung von Gewalt sich uns, Erwachsenenbildner*innen, ausgehend von dieser Analyse, aber auch von bisherigen Erfahrungen und eigebettet in radikaler Selbstreflexion und Reflexivität, eröffnen. Nicht zuletzt möchten wir gemeinsam Ansätze zur Frage entwickeln, wie wir das Thema Gewalt in der (Basis)Bildungsarbeit behandeln können.

 

Das lernende „wir“

Das „wir“, das hier übernommen wurde, bezieht sich im Zusammenhang mit dem Projekt einerseits auf ein „wir“ der Lehrenden in Erwachsenenbildung mit geflüchteten und migrierten Frauen* in Österreich. Und die Setzung der Basisbildung im Titel bezieht sich auch auf uns. Denn wir sind es, die lernen müssen, die Welt zu lesen, immer wieder und weiter lernen, um Schritte in Richtung Bekämpfung der Gewalt setzen zu können. Dieser Prozess umschließt ebenso die Frage, wie wir Gewalt in ihren mannigfaltigen Ausprägungen so wenig wie möglich in unserer Arbeit reproduzieren können. Daraus ergibt sich auch die Forderung der Reflexivität, die sich durch die Veranstaltung zieht.

Im Rahmen einer anonymen online-Befragung in April 2021 wurden die Wünsche, Bedürfnisse und Interesse in Hinblick auf das Thema seitens der Lehrenden in diesem Kontext erhoben, die den Ausgangspunkt für die Konzeption der Weiterbildung bildeten. Ihre Rückmeldungen und Interesse waren für die Planung ausschlaggebend. Wir hoffen, wir konnten dem mit unserer Konzeption gerecht werden.

Das „wir“, in sich keineswegs homogen und durchaus brüchig, erweitert sich auf Personen und somit Positionen, die sich in anderen Kontexten und auf unterschiedlichen Ebenen einer Bildungs-, Beratungs- und/ oder politischer Arbeit widmen, die sich den gewaltvollen Verhältnissen, in denen sie eingelassen ist, zu widersetzen strebt und nach Veränderung sucht. Letztendlich wollen die Bildungswochen für alle offen sein, die sich in diesen Reflexionsprozess einlassen wollen. Wir wollen also alle, die an eine Transformation der gewaltvollen gesellschaftlichen Verhältnisse arbeiten (wollen) einladen, Teil der Veranstaltung zu sein.

 

Embracing challenges

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt zeigt anhand der Thematisierung im Rahmen zahlreicher feministischen Debatten und Wissensproduktionen besonders eindrucksvoll die Notwendigkeit eines weiten Begriffs von Gewalt für die Analyse bestehender Machtverhältnisse auf. Zudem gilt es anzumerken, dass, wie bereits vielerorts im Rahmen unterschiedlicher feministischer Ansätze, längst festgestellt, eine enge Fassung von Gewaltkonzeptionen eine Gefahr der Ausblendung läuft. Nicht nur im Zusammenhang mit den Frauen*, mit denen wir arbeiten, wird Gewalt eng gefasst und auf eine kulturelle, bzw. vergeschlechtlichte Dimension reduziert. Komplexe Fragestellungen und verwobene gewaltförmige gesellschaftliche Verhältnisse erfordern vielschichte, interdisziplinäre Auseinandersetzungen als Annäherungen an ihrer Bekämpfung, im Bestreben, angesichts der Gewalt handlungsfähig zu bleiben und Verständnis- und Handlungsentwürfen anzustreben. Mit Rekurs auf die in Argentinien entstandene feministische Bewegung „Ni una menos!“ wird von feministischen Theoretiker*innen in den USA festgestellt:

“Violence against women, as they define it, has many facets: it is domestic violence, but also the violence of the market, of debt, of capitalist property relations, and of the state; the violence of discriminatory policies against lesbian, trans and queer women; the violence of state criminalization of migratory movements; the violence of mass incarceration; and the institutional violence against women’s bodies through abortion bans and lack of access to free healthcare and free abortion.” (Alcoff / Arruzza / Bhattacharya / Fraser / Ransby / Taylor / Yousef / Davis (2017), o.S.)

Auch die Beschäftigung mit den Zusammenhängen zwischen weit gefassten Gewaltkonzeptionen und Bildung ist keineswegs neu, weder auf theoretischer Ebene, noch unter denen, die sich der direkten Arbeit mit deprivilegierten migrierten und geflüchteten Frauen* widmen. In unzähligen reflexiven Auseinandersetzungen thematisieren Lehrende in unserem Feld ebenfalls diese Verschränkungen sowohl auf Ebene der Rahmenbedingungen und (fremden)rechtlichen Vorgaben, als auch bezüglich der Unterrichtspraxis. Ein weiterer Aspekt bildet die Frage, wie wir Gewalt in der Bildungsarbeit thematisieren und reflektieren können, wenn wir anerkennen, dass die Gewaltverhältnisse verschränkt sind und sich teilweise gegenseitig bedingen – wie die aktuelle Situation von deprivilegierten migrierten und geflüchteten Frauen* im globalen Norden auf brutaler Weise verdeutlicht.

 

(re-)searching paths

Unsere Fragen in diesem Zusammenhang und im Kampf gegen die rassistischen, sexistischen, klassistischen Zuschreibungen, Diskriminierungen und Angriffe, die das Leben der Frauen*, mit denen wir arbeiten, prägen und teilweise verunmöglichen, führen uns auf Pfade, die sich verschränken, auseinandertriften, ineinanderfließen, sich entfalten, immer in Bewegung und nie zu Ende. Durch die Pfade werden wir von Menschen begleitet, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven und Hintergründen mit dem Thema beschäftigen. Jeder Block schlägt zwar eigene Wege vor, doch die Fragen wiederholen sich, tauchen immer wieder auf und beharren, führen von einem Thema ins nächste, schaffen Zeitlichkeiten, die uns erlauben, die Vergangenheit zu analysieren und neue Horizonte zu beleuchten.

Dabei erheben wir kein Vollständigkeitsanspruch, dieser wäre auch trügerisch. Vielmehr geht es uns darum, einige der Pfade aufzumachen, die es gemeinsam im Kampf gegen die Grausamkeiten der Gegenwart einzuschlagen gilt.

 

Infos

Die Veranstaltungssprache wird Deutsch sein, bei den Blöcken, die auf Englisch stattfinden, wird eine Simultanübersetzung auf Deutsch und vice versa angeboten. Sollte jemand gern die Veranstaltung besuchen, jedoch Übersetzung in einer anderen Sprache benötigen, werden wir versuchen, diese vor Ort zu organisieren, wenn die Person im Willy*Fred Haus/das kollektiv an der Veranstaltung teilnimmt.

Die Bildungswochen werden über Zoom stattfinden, ein Link wird im Vorfeld jedes Blocks an alle angemeldete Personen gesendet. Wir bitten um Anmeldung unter folgendem Link: https://forms.gle/y5HHB9pazR8ewKPs6

- Programm und kurzen Biografien der Vortragenden
- Informationen zur Anmeldung

Embracing challenges, (re-)searching paths: Sommerbildungswochen zu (Basis)Bildung und Gewalt ist ein Projekt von Verein das kollektiv, kritische bildungs-, beratungs- und kulturarbeit von und für migrant*innen im Kooperation mit Verein maiz und die Unterstützung von Österreichische Gesellschaft für politische Bildung, RD Foundation Vienna, Frauenreferat - Land OberösterreichIntegrationsstelle Oberösterreich und Frauenbüro der Stadt Linz.